Mister Faustball

von Roman Michel / Südostschweiz

Hanspeter Brigger gehört zu den erfolgreichsten Faustballern der Schweiz, der WM-Titel fehlt ihm aber noch. Als Co-Trainer des Nationalteams will der Zizerser ausgerechnet in Winterthur erstmals Weltmeister werden.

Er ist 22-facher Schweizer Meister, war Trainer und Profi in Brasilien, Vizeweltmeister. Hanspeter Brigger, gebürtiger Aargauer, seit Jahren wohnhaft in Zizers. Wenn es um Faustball in der Schweiz geht, kommt man um ihn nicht herum – nicht nur wegen seiner ruhmreichen Vergangenheit. Als Chef Leistungssport ist Brigger heute zuständig für sämtliche Nationalteams, er engagiert sich in der Nachwuchsförderung – und amtet seit 2011 als Co-Trainer der Männer-Nationalmannschaft. Die Heim-Weltmeisterschaften in Winterthur (11. bis 17. August) sind aber auch für den 50-Jährigen ein neues Kapitel in seiner Laufbahn.

Das Altherren-Image
Wer mit Brigger über Faustball spricht, muss kaum Fragen stellen. Er schwärmt von seinen Reisen mit dem Nationalteam, von Freundschaften und vor allem: von einer Sportart, die so viel beinhaltet. «Faustball ist nicht einfach», sagt Brigger, «wie etwa beim Volleyball braucht es eine gewisse Basis.» Was er auch weiss: Faustball ist eine Sportart, die hierzulande ein Mauerblümchendasein fristet. 6500 Lizenzierte. Tendenz rückläufig. «Uns geht es nicht gut», sagt Brigger deutlich und ehrlich. Es fehlt an Nachwuchs. An Trainern. An Aufmerksamkeit. Die Heim-WM soll das ändern. «Wir wollen zeigen, dass Faustball nicht nur ein Altherrensport ist», sagt Brigger. Der Verband hat um das Turnier verschiedene Projekte lanciert, die der Sportart neuen Schwung verleihen sollen – natürlich war auch Brigger engagiert. «Ob ein Boom entsteht, ist schwierig abzuschätzen», ist er sich bewusst, «wir erhoffen uns aber schon einen Ruck.»

Routiniers geben Comeback
Dass der erfolgreiche Spieler Brigger dem Faustball-Sport auch nach seiner Aktivkarriere erhalten bleiben würde, zeigte sich schon bald. Oder wie er selbst sagt: «Es lag auf der Hand.» Brigger studierte Sport, wurde Turnlehrer, Coach beim U18-Nationalteam, sprang zwischenzeitlich als Co-Trainer bei der A-Mannschaft ein und ist seit 2011 ununterbrochen in diesem Amt, an der Seite von Oliver Lang. Die Aufgaben zwischen den beiden ehemaligen Nationalspielern sind klar verteilt. Lang ist zuständig für die Offensive während sich Brigger um die Verteidigung kümmert. Ein «impulsiver Coach» sei er, so Brigger, «durch die Emotionen kann ich meine Nervosität abbauen.» Es sei schon etwas anders, statt auf dem Platz an der Seitenlinie zu stehen. «Als Spieler hast du das Geschehen in den eigenen Händen. Als Trainer kannst du nur Inputs geben. Da leidest du noch stärker.»
Das Duo wird von einem dritten Coach auf der Tribüne unterstützt. Stephan Jundt heisst der Mann, der die taktische Ausrichtung des Gegners lesen und seine Eindrücke an die Seitenlinie weitergeben soll. Erst seit diesem Jahr ist Jundt im Coaching-Team dabei – nichts soll bei der Heim-WM dem Zufall überlassen werden.
Aus diesem Grund hat der Verband auch den Selektionsprozess angepasst. Mussten sich die Spieler bisher jeweils Anfang Jahr für das Nationalteam verpflichten, erfolgte das Aufgebot nun kurzfristiger, der zeitliche Aufwand ist entsprechend geringer. So gelang es dem Trainer-Duo auch ältere Spieler zurückzuholen, die eigentlich bereits ihren Rücktritt gegeben hatten. «Uns fehlten die Leadertypen, die in Drucksituationen cool bleiben können und hinstehen, wenn es wehtut», so Brigger. Zehn Mann umfasst das WM-Kader – eines haben sie gemeinsam: Sie sind Amateure, trainieren neben ihrem Job bis zu 20 Stunden pro Woche und opfern für die WM- Endrunde ihre Ferien.

Sieg bei Hauptprobe
Bei Brigger ist es nicht anders. Der Vater zweier Buben ist Programmleiter Bewegung und Ernährung der Kampagne «Bisch fit?» beim Gesundheitsamt Graubünden, daneben arbeitet er in einem kleinen Pensum als Sportlehrer. «Der Aufwand ist schon gross», gibt Brigger, der bei den Senioren von Zizers noch immer selbst aktiv Faustball spielt, zu – erst recht vor der WM. Mehrmals standen in der Vorbereitung Trainingseinheiten in Winterthur an, um den Heim-Vorteil optimal ausnutzen zu können. «Sehr eben und stumpf», beschreibt Brigger die Rasenbeschaffenheit im Stadion Schützenwiese, wo normalerweise die Challenge-League-Fussballer des FC Winterthur ihre Heimspiele austragen.
Viel wichtiger aber als die Einheiten an der WM-Stätte war der Test gegen Deutschland im Rahmen des Eidgenössischen Turnfests in Aarau. 3:2 bezwangen die Schweizer den grossen Nachbarn, der ihnen so oft schon vor der Sonne gestanden hatte – zuletzt bei der WM vor vier Jahren, als die Schweiz im Final chancenlos blieb. «Die Aussagekraft eines solchen Testspiels ist gering», warnt Brigger vor zu viel Euphorie, «aber fürs Selbstvertrauen ist das Resultat sicher gut.» Die Partie war auch in anderer Hinsicht ein gutes Herantasten an die WM: Rund 7000 Zuschauer sorgten im Brügglifeld für eine stimmungsvolle Atmosphäre, wie sie Brigger auch in Winterthur erwartet.

Wenn nicht jetzt ...
Den Feinschliff für die Endrunde holt sich das Team in diesen Tagen in einem Trainingslager in Interlaken. Am 7. August steht ein letztes Vorbereitungsturnier auf dem Programm bevor die Delegation drei Tage später in Winterthur einrückt, wo die Schweiz das Turnier am 11. August gegen Chile eröffnet. Das Minimalziel: der Final. Wobei Brigger zugibt: «Insgeheim sagen wir uns schon: Wenn nicht jetzt, wann dann?» WM-Gold, und das erst noch zu Hause – es würde irgendwie passen zum Mister Faustball.

Dieser Artikel ist in der Tageszeitung «Südostschweiz» erschienen.

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